Abschiebung der Afghanen, nach welchem Recht eigentlich ?

Seit mitte Mai, versucht die Hansestadt Hamburg, die ersten afghanischen Aslyberwerbern zwangshaft abzuschieben, mit der Begründung in Afghanistan sei wieder Frieden.
Doch was verstehen diese Behörden unter Frieden? Und wenn sich angeblich die Lage so verbessert hat, wie kommt es, dass
Hekmatyar und seine Hiz-e-Eslami den Südwesten und Osten des Landes bedrohen ? Dazu Massenaufruhr in zahlreichen Städten und Provinzen mit vielen Toten und Verletzten -wegen eines Artikels in Newsweek über angebliche Koranschändung in Guantanamo. Die Angriffe richten sich auch gegen UN - Einrichtungen und Nichtregierungsorganistationen. Im Norden sind jüngst drei UN - Mitarbeiterinnen getötet worden. Kabul ist nicht ausgespart : täglich Schreckensmeldungen : Anschlag auf Internetcafe mit Toten, Entführung von Kindern und Frauen. Geiselnahme der italiänischen UN - Mitarbeiterin. Es baut sich in ganz Afghanistan eine gewaltträchige antiamerikanische Stimmung auf.
Die meisten Verwaltungsgerichte entscheiden über das Bleiberecht der Afghanen nach den Berichten des auswärtigen Amtes.

Ich frage mich regelrecht, was dann genau berichtet wird und ob Menschenrechte und Lebensbedingungen, nach 23 Jahren Krieg und Armut bei Verhandlungen wie diese, von zentrale Bedeutung sind ?

Wie kann man davon ausgehen, dass es in Afghanistan wieder Frieden herrscht, wenn es zunächst einmal klare und deutliche Garantien für die  Menschenrechtsverletzungen ( wie ungesetzliche Tötung, darunter auch Tötung als Vergeltungsmaßnahme aus Gründen der ethnischen Zugehörigkeit, willkürliche Inhaftierung, Vergewaltigungen, Folter sowie grausame unmenschliche und erniedrige Behandlungen oder Bestrafung, wie die in Kabuler Gefängnissen vorzufinden sind) noch unsehbare Spuren zeigen.
Systematische Diskriminierung von Frauen und Gewalt gegen Frauen überwiegen immer noch. Es wurden nach wie vor keine Maßnahmen zur Sicherung der uneingeschränkten Achtung der fundamentalen Menschen von Frauen ergriffen.
Wirksamer Menschenrechtsschutz und seine Überwachung, die in jedes Übereinkommen zur Lösung des Konfliktes eingearbeitet werden sollten, zeigen großen Mangel. Es gibt sehr geringe internationale Menschenrechtsbeobachter, die in ganz Afghanistan arbeiten.
Die Beteiligungen, dass in Übereinstimmung mit den Prinzipen der Humanität, Neutralität und Unparteilichkeit humanitäre Hilfe beweisen, dass Afghanistan noch viele Jahre auf die internationale Hilfe angewiesen ist.
Die Regierung muss noch gewährleisten, dass Waffenlieferung und andereweitige militärische Hilfe nicht heimlich dazu benutzt werden, Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Entwaffnung und Minenräumung müssen wesentliche Bestandteile jeder Übereinkunft sein und von der internationalen Gemeinschaft angemessen unterstützt werden, was aber zur Zeit  nur grob vorran gebracht wird.
Es fehlen weiterhin Expertenkommission, die Menschenrechtsverletzungen der Vergangenheit aufklären, als auch sicherstellen , dass künftige Institutionen auf Basis der Menschenrechte installiert werden, dazu gehören nicht zuletzt Justiz und Sicherheitskräfte.

Zwar verfügt Afghanistan wieder über ein gewählten Präsidenten, Hamid Karsai, doch dessen Einfluss endet hinter den Stadtgrenzen Kabuls. Manche nennen ihn deshalb auch nur >> den Bürgermeister von Kabul <<.
Mehr als symbolische Politik kann er nicht wagen, will er das prekäre Gleichgewicht zwischen den Regionen und den verschiedenen Ethnien nicht belasten.
Regionale afghanische Militärmachthaber haben nur schweres, untauglich gewordenes Waffengerät abgeliefert. Was für den zähen Bürgerkrieg benötigt werden sollte, haben sie behalten. Kein Afghane, sagt der stellvertretende Gouverneur von Marar-e- Sharif, in Kabul Times, wird sich von seiner Waffe trennen, solange nicht Stabilität erreicht ist und Arbeit und Einkommen gesichert sind. " Das ist die Krux : Solange US-Militär Afghanistan sichern muss, solange gibt es gerade deswegen keine Stabilität " , so Victor Pfaff von PRO Asyl.

Zur instabilen Gesamtsituation kommt die wachsende Kriminalität  :  " Organisierte Kriminalität jede Menge ", sagen die ISAF Offiziere, besonders in Kabul.  Das schrecklichste Kapitel : Kindesentführungen am laufenden Band - für den Organhandel, für den Kriegsdienst, die Arbeitssklaverei, zu Erpressungszwecken. Die ISAF hat 160 Fälle im Jahr 2004 allein in Raum Kabul registriert. Und wie viele in ganz Afghanistan ?
" Keine Mutter kann ihr Kind ohne Begleitung zur Schule gehen lassen " - ISAF.
Was ist mit der jungen Polizei und der Justiz ? Bieten sie nicht Schutz ?
Selbst die Regierung räumt ein, dass Polizeikräfte oft mit von der Partie sind bei Überfallen, bei organisierter Kriminalität. Ein funktionierendes Justizwesen gibt es nicht.

Hundert tausende sind nach fünf, zehn oder zwanzig Jahren Exil in den vergangenen drei Jahren vor allem aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt, freiwillig oder unter dem Druck der Aufnahmestaaten. Einige von ihnen haben alten Besitz wiedererlangen können -aber viele auch nicht. Darum wird gestritten.
Dr. Farhand, der Wirtschaftsminister, hat drei Jahre gebraucht, um wieder in den Besitz seines Elternhauses zu kommen, er, mit all den Beziehungen. 23 Jahre Krieg mit wechselnden Parteien : das heißt oft fünf verschiedene Besitzurkunden für ein und dasselbe Grundstück - alle echt. " Und trete mal an gegen den Kommandanten und seine Truppen und verlange deinen Boden zurück ! "
In Kabul kann man wenigstens mieten, allerdings nur wenn man großes Glück hat. 300 US - Dollar im Monat für eine Dreizimmerwohnung im heruntergewirtschafteten Viertel Mikrorayan. Oder man teilt mit eine Fünf - köpfige Familie ( WG ) ein kleines Zimmer für 45 $ .
Frei sind Häuser im Viertel Wazir Akbar Khan für 3. 000 bis 5. 000 US - Dollar im Monat. Der Mietzins geht an die Drogenbarone.
Und sonst : In der Taimanistraße gibt es Plastikplanenverschläge vor Kriegsbeschädigten Lehmhäuschen. Geschlafen wird auf dem Boden, es regnet rein oder ist stickig heiß und illegal sowieso. Kein Wasser, keine Latrinen.
Die Alternative : das Ruinenviertel Afshar, in einsturzbedrohten Häusern.
Und wenn man eine Wohnung gefunden hat, wovon ernähert man Frau und Kinder ?

Die afghanische Regierung kann nicht zu Arbeit und Einkommen verhelfen.
" Wir beschäftigen drei mal so viele Afghanen wie gebraucht werden " , sagt der Wirtschaftsminister -
" Wir können keine Verantwortung übernehmen für abgeschobene Landsleute " , sagt der Flüchtlingsminister. -" Natürlich brauchen wir Fachkräfte, aber wir können sie nicht bezahlen, die Rahmenbedingungen  fehlen."
Und wenn es anders wäre, was verdient  man im Staatsdienst als Arzt, als Lehrer, als Universitätsprofessor ?
40 bis 60 US - Dollar !?

Heißt das : Grundrechte gesichert ?

Wie also sieht dann die Hilfe für FREIWILLIGE Rückkehrer aus ? --- >  Der Saat hilft NICHT !!!!!
Er kann nicht mal diejenigen versorgen, die im Land bleiben mussten, weil sie zu arm  waren zu flüchten.
UNCHR registriert Rückkehrer in Durchgangsstationen ( ein bis zwei Tage Aufenthalt ) und gibt Handgeld für weiterreise, in der Höhe gestraffelt je nach Länge des Weges zwischen 4 und 5 $.
Ach ja und sehr großzügig : ein Startgeld in Höhe von zwölf bis fünfzehn US - Dollar .

Heißt das : na dann  insahallah ?

Die medizinische Grundversorgung sei in Kabul gewährleistet, heißt es beim Bundesamt.
Ja, aber für wen ? Für den, der für die Behandlung Bestechungsgeld zahlen kann ?  Für den, der sich Medikamente kaufen kann, und zwar im Ernstfall in Europa ? Denn in den Packungen, die aus Pakistan geliefert werden, ist oft nichts drin, was draufsteht oder das Verfallsdatum ist abgelaufen. Für den, der zur Behandlung einer chronischen Krankheit Medikamente kühl lagern kann, also nicht nur einen Kühlschrank hat, sondern auch einen Generator im Garten, wenn dauernd der Strom ausfällt.
Erschreckend viele Frauen und Kinder sterben bei oder nach der Geburt, weil Hilfe nicht erreichbar ist.

Heißt das :  Grundversorgung gesichert  ?

Die afghanische Gesellschaft ist von Korruption zerfressen. Was heißt das ? Der Professor verkauft Aufgaben und Lösungen. Der Pförtner macht dem, der mit inneren Blutungen am Freitag zum Hospital kommt, das Tor erst nach Zahlung auf. Der deutsche Rückkehrer, der sich selbständig machen will, soll für die Gewerbeerlaubnis nicht ein paar Afghani, sondern 2.000 $ zahlen. Der Polizist, der willkürlich festnimmt, lässt erst frei, wenn gezahlt ist. Wie sonst soll er mit 25 $ Monatslohn seine Frau und Kinder vor dem Verhungern retten ?
Was es im kleinen gibt, gibt es auch im Großen : Verflechtung von Ministern und Drogenbaronen, sagt eine sichere Quelle.

Heißt das : Internationale Hilfe ?


Die Frauen sind verfassungsrechtlich gleichgestellt. Aber wehe, eine Frau will die Schläge des Mannes nicht länger ertragen oder einer Zwangsheirat entkommen und verlässt das Haus : Das ist Unzucht. Das kann, sagt Medica Mondiale, fünf Jahre Haft bringen. Von den 16 Frauen in der Kabuler Übergangshaftanstalt sind 14 der Unzucht beschultigt. Unzucht, das ist bereits : mit einem Mann auf der Straße sprechen.
Ist eine Frau von der Familie fallengelassen worden, dann ist sie  Freiwild. Es gibt in Kabul so etwas wie Frauenhäuser, wohl sechs. In den Augen der traditionellen Gesellschaft ( 80 % ) sind es Bordelle. Undenkbar, dass sich eine alleinstehende Frau oder auch mit Kindern Wohnraum mietet, selbst, wenn sie Geld hätte. Oft sind Mädchen der Tribut für familiäre Streitschlichtung. Auch eine Witwe kann nicht allein leben. Sie wird in einen Teil der Familie gesteckt, der ein Mann vorsteht. Nach 23 Jahren Krieg gibt es junge Witwen allerort.

Heißt das : Gleichberechtigung und Sicherheit für Frauen ?


Jetzt müssen wir uns die Frage stellen, nach welchem Recht sollen die Afghanen zurück? Ist das die Freundschaft, die uns das deutsche Volk anbietet ? Sind selbst so arm dran, dass sie anderen Menschen in Elend und Tot schieben möchten?
Warum den afghanischen Staat, der in dieser Zeit kramhaft versucht etwas aus dem Land zumachen und sich in seiner schwirigsten Auffassung befindet, noch mit nicht rechtlichem Abschiebung belasten ?
Tausendenen wurde Jahre hindurch verfassungswidrig ein Flüchtlingsstatus vorenthalten mit der Begründung, es gebe keine Staatsgewalt in Afghanistan ( erst im August 2000 hatte das Bundesverfassungsgericht dies korrigiert ) . Und jetzt nennt man sie " ausreisepflichtige Afghanen ".

Warum wird nicht einfach respektiert, dass ausnahmlos alle Instanzen in Afghanistan darum ersuchen nicht abzuschieben ?



Beitrag erstellt mit Hilfe von folgende Quellen :

Pro Asly
Human Rights Watch