Auf der Internationalen Afghanistan-Konferenz in London hat das Land weitere Hilfszusagen erhalten. Diese sind wichtig, werden aber alleine nicht ausreichen, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.
Die Veränderungen in Afghanistan seien "bemerkenswert, aber unvollständig", meinte US-Außenministerin Condoleezza Rice bei der zweitägigen Afghanistan-Konferenz in London. Eine Einschätzung, die wohl die meisten Teilnehmer teilten. Delegationen aus über 60 Staaten hatten sich versammelt, um die Hilfe für Afghanistan für die nächsten fünf Jahre zu koordinieren. Und sie haben weitere Hilfe zugesagt.
Man spricht von 20 Milliarden Dollar für die nächsten fünf Jahre, vermutlich ein Viertel davon aus Washington. Geld, das künftig überwiegend der afghanischen Regierung zur Verfügung gestellt wird und damit hoffentlich besser eingesetzt werden wird als bisher. Nach dem alten Verfahren floss das Geld in erster Linie an und über Nichtregierungsorganisationen. Und der Vorwurf von Afghanen und internationalen Experten, dass viel von dem Hilfsgeld in die Taschen so genannter Berater floss, statt in die Projekte, war so unberechtigt nicht.
Kritische Punkte
Ob sich dies bei neuen Finanzierungswegen abstellen lässt, muss sich erst noch erweisen. Wie auch noch sichergestellt werden muss, dass das versprochene Geld auch überhaupt gezahlt wird. Und wie natürlich auch noch fast alle anderen kritischen Punkte offen geblieben sind und auf Lösung harren.
Das ist zum einen die Sicherheitslage im Land: Aus eigener Kraft sind afghanische Sicherheitskräfte weiterhin nicht in der Lage, die wieder erstarkenden Taliban in die Schranken zu weisen. Die USA wollen ihre Truppen reduzieren, und selbst wenn die NATO nun 6000 Soldaten zusätzlich schicken will - die Hälfte davon Briten -, dann verbessert sich die Sicherheitslage dadurch wohl kaum. Wie immer in der Geschichte ist die Zentralregierung in ihrer Macht in erster Linie auf Kabul beschränkt und der Erfolg anderswo hängt von Erfolg und Misserfolg der Allianzen ab, die sie dort mit den regionalen "Warlords" schließen kann.
Der Drogenhandel wird bleiben
Diese regionalen Herrscher aber leben zum Teil von dem anderen Übel, das auch die Londoner Konferenz nicht wirklich hat in den Griff bringen können: dem Anbau, der Herstellung und Vermarktung von Drogen. Zwar musste sich Kabul zum Kampf gegen den Opiumhandel verpflichten, aber daran, dass Afghanistan der weltweit größte Drogenhersteller ist, wird sich nichts ändern, solange mit Mohnanbau mehr zu verdienen ist als mit Getreide oder Tomaten. Alle verdienen sie daran - von den Taliban bis zu den Kriegsfürsten - und keiner wird auf diese Geldquelle verzichten. Die NATO wiederum wird den Drogenanbau auch nicht unterbinden, und so bleibt dieses Problem bestehen. Zumindest im Fall der Taliban stärkt es die Opposition gegen die Regierung unter Hamid Karsai. Auch dies bleibt ohne richtiges Gegenrezept auf Seiten des Westens.
Trotz solcher ungelösten - und vielleicht auch unlösbaren - Probleme war es richtig, in London weitere Hilfe für Afghanistan zuzusagen. Nach Jahrzehnten der Gewaltherrschaft und Krieg kann dieses Land sich nicht binnen fünf Jahren zu einer modernen und gesunden Demokratie wandeln. Und man kann es auch wegen einiger Rückschläge nicht einfach wieder fallen lassen. Selbst wenn Afghanistan sich in mancher Hinsicht als "Fass ohne Boden" erweisen sollte.
Autor:Peter Philipp